Sandra Palfi-Springer, was macht die Heilpädagogik so faszinierend?

Shownotes

In der ersten Folge sprechen Rihab Chaabane und Philipp Bryant mit Sandra Palfi-Springer. Sandra Palfi-Springer ist promovierte Heilpädagogin und Vertreterin einer personalen Heilpädagogik. Im Studium kam sie erstmalig mit den Lehren Paul Moors in Kontakt, dessen Konzept eines inneren Haltes sie fortan begleitete. Im Gespräch geht es aber nicht nur um ihre Faszination für die Lehren Paul Moors, sondern um die Beschäftigung mit elementaren Fragen der Heilpädagogik, die die Profession für viele so faszinierend macht: Wie steht das Individuum vor seiner Lebenssituation - oder nach Paul Moor - dem "Anruf des Lebens"? Ein spannendes Gespräch über einige Grundfragen der Heilpädagogik.

Feedback und Fragen: podcast@bhponline.de Ein Podcast des Berufs- und Fachverbandes für Heilpädagogik (BHP) e.V.: www.bhponline.de/podcast

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00:00:00: Und dann durfte ich berufsbegleitend studieren und durfte tatsächlich dieser Fragestellung, die mich da nicht loslässt, nicht

00:00:09: losgelassen hat ja durfte ich weiter nachgehen und habe über meinen eigenen Prozess begriffen, was es heißt, wenn Moor von Ergriffenheit spricht.

00:00:18: Musik.

00:00:34: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von "Irgendwas mit Menschen - der Heilpädagogik-Podcast.

00:00:42: Ich bin Rihab Chabaane, an meiner Seite ist heute Philipp Bryant.

00:00:47: Hallo zusammen. Und wir diskutieren für euch mit ExpertInnen der Heilpädagogik.

00:00:53: Wir freuen uns heute ganz besonders über unsere Gästin Sandra Palfi-Springer.

00:00:59: Frau Dr. Sandra Palfi-Springer und wir sprechen mit ihr über die Faszination der Heilpädagogik. Schön, dass du da bist Sandra.

00:01:09: Ja hallo, und vielen Dank, dass ich da sein darf.

00:01:14: Ja Sandra, ich sage mal ein bisschen was zu dir, bestimmt nicht alles, was sagenswert wäre um dich vorzustellen, aber ich greife mein paar Sachen auf. Du wohnst in Baden-Württemberg.

00:01:24: Auch im schönen Süden, du bist verheiratet, hast drei Kinder und du hast verschiedene Ebenen der Heilpädagogik absolviert. Du warst erst Erzieherin

00:01:34: vom Grundberuf, dann hast du die Ausbildung zur staatlich anerkannten Heilpädagogin gemacht, später hast du heilpädagogisch studiert in Nürnberg.

00:01:43: Und du sagst Paul Moor hat dich nicht losgelassen,

00:01:46: so sehr, dass Du dazu promoviert hast, zur Sinn-orientierten Heilpädagogik.

00:01:54: Deine Promotion hast du dir ja quasi gewählt um eine "Legitimation zum Lesen" zu haben, das fand ich ganz witzig. Genau du hast in Ludwigsburg promoviert.

00:02:09: Und zwar, ja, Paul Moor Impulsgeber für eine sinnorientierte Heilpädagogik, vielleicht sagst uns dann später ein bisschen was dazu, ich glaub da stehst du wirklich mit Herz und Blut dahinter.

00:02:21: Genau, du vertrittst nämlich eine personenorientierte Heilpädagogik, ne personale Heilpädagogik.

00:02:26: Was das genau bedeutet kannst sonst bestimmt auch im Laufe des Gesprächs erläutern.

00:02:33: Ja und aktuell bist du selbstständig, du bist freiberuflich unterwegs, du berätst Familien, du machst Fachberatung, Organisationsentwicklung.

00:02:41: Du bist systemische Coachin.

00:02:43: Und ja, ganz besonders begleitest du Familien, die Kinder haben, die unter schweren Entwicklungsbedingungen aufwachsen,

00:02:52: das ist so dein Schwerpunkt wie ich das verstanden habe, und vielleicht noch mal was Privates, was ich ganz nett fand, du bist gerne im Garten.

00:03:02: Das ist deine Erdung im wahrsten Sinne des Wortes, wenn deine Hände in der Erde sein können.

00:03:08: Und du sagst "gardening is cheaper than therapy and I you get tomatoes".

00:03:16: Ja und in diesem wunderbaren Sommer gibt es wirklich reichlich tomatoes.

00:03:22: Insofern ist es tatsächlich ein sehr erfolgreiches "Therapie-Geschehen" in meinem Garten dieses Jahr. Sehr sehr schön.

00:03:36: Ja, Sandra, wir wollen gleich mit einer kleinen Aufgabe mit dir starten, mit ner kleinen Herausforderung, wir haben uns da was überlegt und zwar,

00:03:46: Sagt dir denn der "Elevator Pitch" etwas?

00:03:49: Wie viel Stockwerke gehe ich? 17 in einem sehr langsamen Aufzug, du hast ca. 90 Sekunden.

00:04:01: Wir haben uns diese Challenge gestellt, weil wir wissen, dass wir HeilpädagogInnen in der Regel ja auch die Zeit haben um die komplexe Heilpädagogik zu erklären.

00:04:10: und dass wir manchmal uns da auch verzetteln und verlieren und deswegen eben diese Challenge, später kriegst du noch mehr Zeit um um deine Punkte zu erläutern, aber so für den Einstieg vielleicht die Frage:

00:04:23: Was ist die Heilpädagogik für dich? Du hast dafür circa 90 Sekunden Zeit und the stage is yours.

00:04:33: Heilpädagogik ist für mich die Faszination am Menschen,

00:04:38: diese Faszination, dass jeder Mensch seinen Weg geht mit den Möglichkeiten, die er eben nunmal hat,

00:04:45: immer auch mit den Fragestellungen: wo können die Möglichkeiten sich auch auch erweitern, also gerade auch im Hinblick auf gesellschaftliche

00:04:55: Grundlagen oder Möglichkeiten, aber für mich immer die Frage, was macht jemand draus, wie lebt er sein Leben? Wie geht er seinen Weg? Und Heilpädagogik eröffnet für mich die Möglichkeiten diesen Weg zu begleiten,

00:05:08: sei es in Förderangeboten, sei es in Gesprächen, sei es auch im Abbau von Barrieren, die irgendwo da sind und diese Vielfalt,

00:05:17: in den Möglichkeiten und auch im Weg des Menschen, das ist einfach das, was mich innerhalb der Heilpädagogik einfach fasziniert.

00:05:25: Wow! Wie viele Sekunden? Ich habe diese Gesprächspause jetzt als ein Ende des Pitchs verstanden.

00:05:33: und es wären noch 32 Sekunden übrig gewesen, also wir sind sehr schön schnell in Anführungsstrichen in der Stockwerk gelangt

00:05:42: und ich würde gerne ein paar Dinge aufgreifen von dem, was du gerade gesagt hast, Sandra, und das probieren in eine,

00:05:53: ja, weiterführende Gesprächsgrundlage einzubauen. Wir haben ja heute, wir Rihab schon gesagt hat, vor, uns mit

00:06:03: der Heilpädagogik an sich auseinanderzusetzen und du hast jetzt erwähnt, dass es für dich um

00:06:09: Menschen, um Vielfalt, um Möglichkeiten, aber auch um so etwas wie die gesellschaftlichen Grundlagen dessen geht, und das finde ich ganz spannend weil

00:06:20: wenn wir so etwas wie eine sinnorientierte Heilpädagogik als dein Steckenpferd gerade schon herausgestellt haben, dann

00:06:28: könnte man ja meinen, diese sinnorientierte, eher geisteswissenschaftlich orientierte Heilpädagogik würde vielleicht das, was sozialwissenschaftlich, also als die gesellschaftlichen Grundlagen.

00:06:39: angesehen werden kann, vielleicht weniger gewichten oder gar ignorieren.

00:06:46: Möchtest du vielleicht uns eine Orientierung dazu geben wie du diese beiden teilweise in der Disziplin ja als Gegenpole als Gegenspieler fungierenden Ansichten vereinst?

00:07:01: Da brauche ich jetzt aber länger wie 30 Sekunden. Ja, wir sind nicht mehr beim Elevator-Pitch.

00:07:12: Für mich sind das einfach zwei Bereiche die, also wenn ich jetzt überhaupt als Bereiche formulieren kann, die unabdingbar miteinander verknüpft sind.

00:07:21: Das eine sind die gesellschaftlichen Grundlagen, also auch das Feld in dem sich Menschen mit

00:07:29: erschwerten Entwicklungsbedingungen einfach auch bewegen, in dem Familien unterwegs sind, und in dem

00:07:36: das was wir heute unter Inklusion meinen einfach auch.

00:07:40: und auch wesentlich davon abhängt, wie definiert Gesellschaft tatsächlich auch dieses Feld und welche Mittel ist sie bereit, zur Verfügung zu stellen, dass jeder Mensch in diesem Feld einfach auch

00:07:52: seinen Platz finden kann und sein Leben gestalten kann. Das ist so die eine Seite

00:07:59: für mich und die andere Seite ist aber eben diese ganz persönliche, diese ganzen personale Seite und diese personale Sicht auf die Bedingungen, die ich habe.

00:08:10: Und damit meine ich nicht, dass jemand quasi

00:08:15: hier in diesem  Annahme oder dieses Annahme-Postulat auch vorausgesetzt wird.

00:08:23: Du musst das halt akzeptieren, dass es so ist. Also Eltern zu sagen, na jetzt akzeptieren Sie halt, dass ihr Kind unter anderen Bedingungen ihr Leben leben wird,

00:08:33: das meine ich damit nicht, weil das steht uns überhaupt nicht zu.

00:08:37: Was ich aber meine ist, dass ich einfach in meinen vielen Begleitungen erlebe, dass jeder Mensch eben eine ganz eigene Positionierung zu seiner Situation eben einnimmt

00:08:50: und es da Menschen gibt, die sich sehr wohl und auch sehr kritisch mit der eigenen Situation und auch dem eigenen Umfeld auseinandersetzen.

00:08:59: Und aber auch sich sehr

00:09:03: kritisch mit sich selber und manchmal aber auch sehr liebevoll mit sich selber auseinandersetzen, und da merke ich das manchmal diese

00:09:11: Brücke von jetzt Menschen, in der klassischen Formulierung ja, Menschen mit Behinderung sich da manchmal einfach auch

00:09:22: durchaus gut für sich selbst auch positionieren in den Möglichkeiten, die es gibt.

00:09:30: Was nicht heißt, im Umkehrschluss, dass die Möglichkeiten gut sind und nicht verändert werden müssen. Also das,

00:09:36: ja also das sind für mich wirklich zwei Themen, und die personale Heilpädagogik, die zielt einfach auch mit drauf ab,

00:09:44: wirklich zu schauen, wie geht der Einzelne mit seiner Situation um. Und ich möchte nochmal betonen, das rechtfertigt nicht, dass gesellschaftliche Grundlagen unzureichend sind, überhaupt nicht.

00:09:55: Aber es ist immer auch die Frage, wie geht es mir selber in dieser Situation, weil ich auch erlebe,

00:10:04: auch wenn das Umfeld sich sehe ideal darstellt,

00:10:09: es immer noch vom einzelnen Menschen oder von der einzelnen Familie abhängt, wie gut

00:10:15: kann die Familie, kann das kleine System oder kann auch der einzelne Mensch wirklich auch mit der Situation und mit individuellen Behinderungen,

00:10:24: die eben auch

00:10:26: körperlich begründet sein können oder eben sehr persönlich begründet sind, wie kann er mit denen umgehen und wie positioniert er sich.

00:10:34: Mit dieser eben Ausgangsposition die so ist, wie sie ist. Also das sind für mich so diese zwei

00:10:43: Blickrichtungen nenne ich es jetzt mal, wohlwissend, dass die natürlich immer untrennbar auch miteinander verknüpft sind. Aber die eine

00:10:52: löst sich nicht in der anderen auf. Ich muss gerade, Sandra, während du erzählst, an das ICF-modell denken,

00:11:00: was ja auch versucht, diese beiden Ausrichtungen oder Ausgangspunkte zu vereinen, zum einen,

00:11:09: ich glaub, das ist so ein bisschen auch aus der Historie gewachsen, dieses medizinische Modell, was eben das Defizit nur im Menschen gesehen hat und es gilt diese Behinderung zu beseitigen oder diese Störung zu beseitigen.

00:11:21: Dann kam das soziale Modell auch mit den Disability Studies was heißt, behindert ist man nicht, behindert wird man, und Behinderung wird nur als soziales Konstrukt verstanden, was im Umfeld entsteht.

00:11:32: Und das ICF-Modell versucht hier genau beides zu vereinen, und das höre ich so ein bisschen bei dir raus, dass du sagst, es ist kein Entweder-Oder sondern es braucht beide,

00:11:41: beide Perspektiven, auf das Individuum, aber auch auf gesellschaftliche Strukturen. Ja,

00:11:47: und gleichzeitig ist eine meiner Kritiken auch am ICF-Modell, dass es diese ureigene personale Auseinandersetzung und zwar das, was über die körperlichen Beeinträchtigungen hinaus geht,

00:12:01: nämlich wirklich dieses persönliche Stellungnehmen, dass das, was ist, was einfach also, das lässt sich natürlich auch nicht, das lässt sich ja nicht kategorisieren, und das ist dieser Bereich in der ICF, der auch nicht ausformuliert ist.

00:12:15: Und den müssen wir mit in den Blick nehmen.

00:12:18: Also es ist jetzt schon ganz ganz spannend, ich würde gerne kurz eine eckige Klammer aufmachen, ich habe an unsere Zuhörenden gedacht,

00:12:28: das ICF- oder ICF-Modell ist die International Classification of Functioning.

00:12:33: Und das ist ein Modell, was von der WHO veröffentlicht wurde, also der Weltgesundheitsorganisation, auf dass ich hier gerade bezogen wird, und wenn wir von einem individuellen Modell oder einem Sozialmodell gesprochen haben gerade, dann meinen wir ein individuelles Modell von Behinderung

00:12:46: oder ein soziales Modell von Behinderung.

00:12:51: Jetzt habe ich über die eckige Klammer ein Stückchen meine Frage aus den Augen verloren aber

00:12:59: ich würde gerne noch mal ein kleines Stück zurück gehen, denn das was wir jetzt gerade hier hören,

00:13:06: also dieser Fokus auf das Personale, das Sinnorientierte, da muss ich

00:13:13: also da höre ich gleich wieder Paul Moor oder Emil Kobi, also die Frage danach,

00:13:20: was Behinderung, wie auch immer wir sie mit welchem Modell wir sie erklären, und deswegen fand ich das so schön wie du es gesagt hast, Sandra, das lässt sich nicht auflösen oder das geht nicht in

00:13:31: ineinander auf, diese beiden Blickrichtungen, denn es geht letztendlich, egal wie wir Behinderung erklären, doch, wenn ich das jetzt mal mit Kobi sagen darf,

00:13:39: doch als Frage formuliert, immer darum, herauszubekommen wie jemand vor den Herausforderungen, die seine Individualität die mitbringt, eben steht und dieses wie steht das Individuum

00:13:53: vor der Lebenssituation, das finde ich doch auch eine extrem

00:13:57: nicht nur spannende und herausfordernde Frage in der täglichen Praxis, sondern auch eine, die die Forschungen letztendlich immer wieder leiten kann und soll.

00:14:06: Und davon lässt sich dann ja wieder genau in beide Blickrichtungen auch schauen, wenn ich dich richtig verstanden habe.

00:14:15: Und du, Phillip, du hast gerade auch angesprochen also auch vielen Dank, Paul Moor ist ja tatsächlich derjenige, die Rihab hat es vorher schon gesagt, derjenige, der mich letztendlich auch

00:14:28: damals in meine Promotion gebracht hat, weil mich sein Konstrukt, seine Idee eines inneren Haltes nicht losgelassen hat ich habe, ich bin dem begegnet in meiner Ausbildung zur Heilpädagogin,

00:14:43: damals in jungen Jahren und hab's irgendwie auch nicht so richtig verstanden, die Texte waren schwer zu lesen und dann hab ich gedacht

00:14:52: achja, irgendwie ja so ein altes Ding, und ich habe gemerkt, das was da drin steckt, das lässt mich nicht los.

00:15:00: Und dann durfte ich berufsbegleitend studieren und durfte tatsächlich dieser,

00:15:06: Fragestellung, die mich da nicht loslässt, nicht losgelassen hat, durfte ich weiter nachgehen und hab

00:15:13: über meinen eigenen Prozess begriffen was es heißt, wenn Moor von Ergriffenheit spricht, nämlich ich bin von Irgendwas angetriggert, angefixt und ich merke, ey das ploppt überall auf

00:15:26: und was ist es, das ist für mich nämlich genau diese Faszination. Wie lebt ein Mensch sein Leben

00:15:36: im Angesicht dieser Herausforderung, der er sich gegenüber gegenübersieht, und Moor spricht hier auch vom vom Anruf des Lebens und der sagt, es sind nicht wir die das Leben anfragen, ey was hast du zu bieten für mich,

00:15:50: sondern wir sind die angefragten vom Leben, und meine Art zu leben

00:15:55: ist meine Antwort auf diese Frage, und da sind wir genau bei dem, was du gerade gesagt hast, und es geht in diese zwei Richtungen, nämlich das eine auch tatsächlich

00:16:07: anzunehmen, es ist jetzt so, wie es ist, und die Frage ist, was machen wir damit,

00:16:13: was kann ich damit tun, und das andere ist aber eben auch, wie ist denn das Umfeld, in dem ich lebe mit dem wie es eben ist und was

00:16:24: kann und muss sich da vielleicht auch verändern und wo kann ich dazu beitragen, dass hier wirklich auch Veränderung möglich wird oder stattfindet, und das sind genau, da verbinden sich diese zwei Richtungen.

00:16:39: Spannend. Die auch sich beim Moor schon verbunden haben, also auch zu seiner Zeit, also vielleicht auch hier für die Zuhörer mache ich meinen kleinen Werbeblock, Paul Moor, wer das lesen will

00:16:52: aber er hat seine Schriften in den 1930 er bis 1980er-Jahren verfasst und man muss schon auch sehen, dass sie natürlich auch auf dem Hintergrund geschrieben sind,

00:17:03: und da war das, was wir heute und was für uns heute völlig selbstverständlich ist, nämlich nicht systemische Denkweise,

00:17:09: die war damals auch in der Heilpädagogik eigentlich noch ein ziemliches Novum, weil man ging damals davon aus,

00:17:17: es gab auch diesen Begriff der "Kinderfehler", also man ging davon aus, Behinderung ist was ganz individuelles,

00:17:24: ausgelöst durch eine individuelle Schädigung oder eine Deprivation oder wie auch immer, aber es ist ein individuelles Thema und Paul Moor hat damals schon immer wieder deutlich gemacht, wir müssen das

00:17:36: Umfeld mit reinnehmen und hat einen für damalige Zeiten auch sehr provokanten Buchtitel gewählt,

00:17:44: Kinder-Fehler, Bindestrich, Erzieher-Fehler.

00:17:49: ?! Also nämlich zu sagen, okay was ist denn auch wirklich der Beitrag

00:17:56: der Umgebung an dem, dass ein Kind in bestimmten Situationen, oder auch ein erwachsener Mensch mit, in der klassischen Formulierung mit Behinderung, dass er einfach Erschwernissen oder Herausforderungen gegenübersteht, die vielleicht nicht sein müssten.

00:18:10: Also du sagst, dass Paul Moor, also für seine Zeit, ja relativ fortschrittlich war, mit seinem Gedanken und auch mit seiner

00:18:20: Kritik vielleicht gegenüber dem Umfeld oder auch, darauf hinzuweisen, ja guck doch mal auch das Umfeld an, ich gehe noch mal zur Personenzentrierung zurück

00:18:30: jetzt ist ja anscheinend Paul Moor hier unser zweiter Gast und Sandra Palfi-Springer vielleicht kannst du mal in seinen,

00:18:40: in seiner Vertretung antworten.

00:18:44: Was du gerade beschrieben hast, der Anruf des Lebens oder das Leben stellt die Fragen und wir dürfen uns dazu positionieren, dürfen einer Haltung dazu einnehmen gerade Menschen mit einer Behinderung oder Beeinträchtigung, wie stehe ich dazu,

00:18:58: wie kann ich das annehmen akzeptieren und so weiter. Was würde denn Paul Moor oder eben Sandra Palfi-Springer sagen:

00:19:06: Zielgruppe der Heilpädagogik sind ja auch Menschen mit einer sogenannten schweren Mehrfachbehinderung.

00:19:13: Und diese Fragen, wie positioniere ich mich zum Leben, wie kann ich

00:19:22: die Resilienz vielleicht entwickeln - jetzt bringe ich mal einen anderen Begriff rein - um mit dieser Herausforderung umzugehen und so weiter und so fort.

00:19:29: Das sind ja sehr philosophische Fragen, die auch ein bestimmtes Level an kognitiven Fähigkeiten erfordern.

00:19:38: Wie sieht es mit den Menschen aus, gibt's da auch, ist da Paul Moor drauf eingegangen, oder hast du dir da mal Gedanken gemacht?

00:19:46: Also, kleine Kritik an Paul Moor,

00:19:51: Paul Moor hat tatsächlich auch die geistigen Fähigkeiten schon auch sehr hoch gehalten und hat in Halt-Schwächen einfach auch sowas wie eine geistige Dürftigkeit formuliert, und das ist

00:20:04: unglaublich schwierig, und auch für mich

00:20:08: eigentlich unaushaltbar, nämlich gerade Menschen mit geistiger und und komplexer Behinderung hier quasi ein Fragezeichen zu setzen, was diese Auseinandersetzung angeht

00:20:21: also das mal in Richtung Paul Moor auch eine eine wirklich eine große Kritik.

00:20:27: Um die Frage aber jetzt aus meiner Sicht zu beantworten auf dem Hintergrund von Moor, da erlebe ich bei Menschen mit komplexen Behinderungen

00:20:38: durch ihre Art das Leben zu gestalten

00:20:41: eigentlich auch eine ein ganz ganz hohes Maß an Antwort auf die Fragen des Lebens und ich möchte es gerne in einem Beispiel deutlich machen.

00:20:53: Ich habe lange Zeit mit einem einem jungen Mann gearbeitet,

00:20:59: hoch tetraspastisch, mit Sonde, über die Sonde ernährt quasi.

00:21:07: permanent auf Hilfe und Fürsorge angewiesen. Er konnte in guten Tagen mal mal die Hand ein bisschen lösen aber meistens war das, war das einfach

00:21:18: nicht möglich, er war immer angewiesen auf jemanden, und ich habe aber über ihn einfach auch so so

00:21:25: Dinge schätzen gelernt wie z.B. des Lichts ich fand es immer eine eine ganz faszinierende Sache

00:21:33: als uns irgendwann mal aufgegangen ist, dass, wenn wir sein Rollo im Zimmer nicht geschlossen haben morgens, und die Sonne aufging und die schien so an sein Bett und die hat ihn irgendwie gekitzelt, also ich meine die Sonne so in die Nase, und er hat in die Nase immer gerümpft, und es war für ihn ein ein Moment

00:21:52: tiefster Freude von der Sonne geweckt zu werden.

00:21:57: Und wenn ich manchmal an mich selber denk, wie ich morgens vielleicht nicht so leicht aufstehe, dann fällt mir dieser junge Mann immer wieder ein, wo ich denk, diese Freude, diese Freude am Erleben, da kitzelt mich die Sonne morgens wach, war was, was mich tief berührt hat, und wo ich für mich gedacht hab,

00:22:14: ja, das ist - in dem Fall -

00:22:17: seine Form der Antwort wirklich auch sein Leben zu gestalten, auch wenn viele andere Dinge sicherlich für ihn nicht

00:22:26: so waren, wie wir es uns gewünscht haben. Also ich will hier überhaupt nichts idealisieren, um Gottes Willen, aber das sind so die Momente und das sind für mich Antwort-Momente.

00:22:36: Das finde ich ein sehr schön anschauliches Beispiel und das bringt mich zu etwas, was du ja auch schon erwähnt hast vorhin Sandra,

00:22:46: mit dem Hinweis auf die eine Veröffentlichung der Kinderfehler und, Schrägstrich, der Erziehungsfehler,

00:22:52: weil der Blick wird ja da sehr deutlich auf uns als in der Situation Handelnde gerichtet

00:22:56: und du hast ja auch schon von der Ergriffenheit als eine Vokabel, die beim Moor sehr zentral ist, gesprochen und diese Ergriffenheit des Herzens,

00:23:04: mit der er ja in unterschiedlichen Veröffentlichungen arbeitet,

00:23:09: ist ja etwas was offensichtlich vielleicht heute so nicht mehr genannt wird, aber du hast ja eingangs auch schon gesagt,

00:23:16: es macht ja den Eindruck als sei Paul Moor tatsächlich sehr aktuell, und im Vorgespräch hast Du erwähnt, vielleicht ja sogar aktueller denn je, mit einer Orientierung an Sinn und an Personalität.

00:23:29: Wenn wir jetzt auf uns als Handelnde schauen

00:23:33: und ebenso dieser Frage, wie können wir denn auch Menschen mit sogenannten komplexen oder schweren mehrfachen Beeinträchtigungen, Behinderungen

00:23:44: eine Unterstützung einer Assistenz zuteil werden lassen, was würdest du denn sagen, was so

00:23:51: für das Wesen der in der Heilpädagogik Tätigen etwas wie ein Kernmerkmal ist?

00:23:59: Oder gibt es so etwas nicht?

00:24:06: Also ich verwehre mich dieses Kernmerkmal jetzt auf die die Profession der Heilpädagogik zu fokussieren, aber ich würde es gern als Kernmerkmal,

00:24:18: derer beschreiben, die in diesen Settings arbeiten, also ich würde gerne loslösen von der Profession, ich nenne das jetzt

00:24:27: ich nenne es jetzt mal Schwingungsfähigkeit.

00:24:30: Es ist für mich diese Fähigkeit, mich tatsächlich auf den anderen einzulassen, gerade auch bei Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen Behinderungen, wo jetzt die klassische Form der Kommunikation zum Beispiel nicht möglich ist,

00:24:46: da ist dieser Mensch angewiesen auf

00:24:50: ein Gegenüber, das sensibel ist und das versucht, wirklich wahrzunehmen und zu erkennen, was ist sein Anliegen gerade was ist das was er braucht,

00:25:01: wohlwissend, dass wir da uns natürlich immer nur in einem Annäherungsprozess befinden, wir können den anderen nie ganz erfassen, aber wir können uns auf den anderen einlassen und spüren in dieser Resonanz

00:25:16: letztlich, was wir ihm anbieten

00:25:18: können und auch dann müssen wir eben, na wir müssen dranbleiben um zu schauen, ist das was ich mir jetzt erdacht habe oder was ich gemeint habe erspürt zu haben, ist es jetzt tatsächlich das eben in der in der in der Rück-

00:25:31: Kopplung durch den anderen, und das setzt eben

00:25:34: dieses hohe Maß an Beziehung voraus, das für mich für die Heilpädagogik und wie der heilpädagogische Arbeit, also losgelöst von der Profession, aber für diese heilpädagogische Arbeit was ganz Zentrales ist. Es geht um Beziehungen Beziehungsgestaltung.

00:25:49: Da würde ich gerne direkt noch mal einhaken und ich hoffe ihr erinnert mich da dran weil jetzt ist z.b. der Begriff der Profession und auch der Disziplinen genannt, die sollten wir auch noch mal klären für unsere Zuhörenden, aber wenn du jetzt

00:26:05: sagst, du möchtest ungerne da an so einen professionellen oder professions-

00:26:11: bezogenen Charakter denken, gibt es denn etwas, du hast ja so ein Stückchen, habe ich zumindest rausgehört - und korrigiere mich wenn ich das falsch gehört habe - so ein bisschen von so etwas wie im Auftrag geschrieben, gibt es Aufträge, die du für die Heilpädagogik benennen kannst?

00:26:25: Was sind die Aufträge, mit denen wir in unsere

00:26:30: ich nenne das immer mit den Menschen leben und arbeiten, und bewusst zuerst Leben und dann arbeiten, gibt es da etwas was wir

00:26:39: mitnehmen als

00:26:41: Auftrag der Heilpädagogik?

00:26:51: Wenn ich im Kontakt bin, und da bin ich auch nicht eben jetzt als die Heilpädagogin da oder der Heilpädagoge, sondern da bin ich als Mensch da und da interessiert das andere

00:27:02: mein Gegenüber nicht. Es ist dieses ich bin da und Teile Leben und arbeite mit dir, das ist so das eine, und das

00:27:10: andere ist auch, dass, ich meine Kröske hat das auch mal formuliert, also auch im gewissen Sinne eine Anwaltschaft zu haben,

00:27:19: aber, und da werden manche Zuhörer, und gerade auch die, die vielleicht auch hier politisch orientiert gerade auch im Rahmen der Heilpädagogik unterwegs sind, da gehen schon Alarmleuchten an, es geht mir hier nicht drum in einer  paternalistischen Anwaltschaft, ja also im Sinne von ich weiß was gut für dich ist, nee überhaupt

00:27:38: nicht, aber ich stelle mich zur Verfügung,

00:27:41: wahrzunehmen oder mich zu bemühen wahrzunehmen, was ist gerade dein Thema, was brauchst du, und das unter Umständen in Sprache zu übersetzen für die Menschen, die eben nicht in diesem Kontakt

00:27:54: zu dir sind, aber da fokussieren wir uns gerade wirklich auch auf Menschen, die das nicht selber in Sprache bringen, ganz spannend und es wäre ein

00:28:04: anderes Klientel, sind die einfach auch Menschen, die das durchaus selber in Sprache bringen, und da auch wirklich unterstützend tätig zu sein, dass sie auch gehört werden mit dem, was sie in Sprache bringen.

00:28:17: Jetzt habe ich gleich zwei Fragen, ich hoffe,

00:28:22: ich platziere sie mal und dann kannst du entscheiden wann du welche du zuerst beantworten willst. Das was du zuletzt gesagt hast, beschäftigt sich ein bisschen mit

00:28:33: wer sind eigentlich wer ist eigentlich die Zielgruppe oder die Zielgruppen der Heilpädagogik, da haben wir auch eine ganz ganz

00:28:41: diverse Bandbreite, vielleicht magst du da vielleicht auch aus deiner eigenen beruflichen Biografie heraus erzählen, mit welchen

00:28:48: Zielgruppen Du schon zu tun hattest und vielleicht noch welche Handlungsfelder da bedient werden in der Heilpädagogik dass ist das eine vielleicht,

00:28:56: das als zweites, und die erste Frage hat eher mit dem Anfang zu tun, du sagst, als Heilpädagogin bin ich als Mensch da,

00:29:05: bin total präsent, teile das Leben.

00:29:10: Ich habe, Philipp, Profession und Disziplin nicht vergessen, ich möchte aber auf das Wort Professionalität eingehen, was macht dann unsere Professionalität aus, wenn wir

00:29:19: in unserem Beruf aber als kompletter Mensch in die Beziehung gehen,

00:29:24: mit unserem Klientel, wo ist da die professionelle Abgrenzung oder braucht es die oder brauchen wir sie nicht?

00:29:34: Da würde ich dich jetzt bitten, merk du dir mal kurz die ist das Zweite, ich gehe ganz kurz drauf auf das erste ein, das geht vielleicht etwas schneller.

00:29:44: Eine weitere Faszination der Heilpädagogik ist, wie du gesagt hast, dieses unglaublich breite und diverse Feld des Klientels, mit dem wir

00:29:52: zun tun haben, das reicht über den den frühkindlichen Bereich z.B. im Rahmen von Frühförderung oder auch von früher Begleitung, von Eltern über die Arbeit in

00:30:05: Kindertagesstätten, in der Schule, in der schulischen Begleitung, manche Kollegen sind auch tatsächlich im schulischen Zusammenhang als Lehrer tätig oder Lehrerinnen,

00:30:17: bis über die Begleitung von Jugendlichen, von erwachsenen Menschen mit Beeinträchtigungen, die ihr Leben

00:30:27: in einer ganz eigenen Form Leben, sei es in ambulanten Unterstützungen oder auch wirklich in der Assistenz

00:30:34: in einer Komplex-Einrichtung, um jetzt mal das ganz andere Extrem zu nehmen.

00:30:39: Und wir haben zunehmend auch Kolleginnen und Kollegen, die wirklich auch im Bereich der Geragogik unterwegs sind, wobei hier die Heilpädagogik

00:30:47: noch eine sehr geringe oder ne sehr kleine Rolle spielt.

00:30:51: Ganz spannend finde ich den Einsatz von heilpädagogisch Tätigen im Bereich der Hospiz-Arbeit,das ist was da

00:30:59: erlebe ich gerade so das Hineinwachsen einer Kollegin und das finde ich unglaublich spannend, weil sich für mich da auch wieder so ein Kreis schließt, ja wirklich, Heilpädagogik ist letztlich über die gesamte Lebensspanne.

00:31:11: tätig oder kann tätig sein.

00:31:16: Und die Tätigkeiten dort, die Heilpädagogik ist ja immer wieder auch mit ihren Ansätzen therapienah unterwegs, und in je nachdem, in welchem Tätigkeitsfeldern man unterwegs ist,

00:31:28: ist da die Nähe größer oder kleiner, also in in in klassischen Frühförder-Bereichen

00:31:36: ist durchaus auch das therapeutische Denken und auch das Förder-Denken, so nenn ich es jetzt einfach mal, auch noch stärker im Blickpunkt, während jetzt auf der anderen Seite, z.B.

00:31:48: in der Assistenz von, in der Wohnassistenz oder in der Arbeitsassistenz der Förder-Aspekt nicht mehr so eine große Rolle einnimmt, sondern wirklich die Frage, wo braucht ein Mensch Unterstützung, dass er sein Leben so leben kann wie er das gerne hätte.

00:32:03: Also hier mal, um so diese Breite des Feldes ein bisschen abzugreifen, ich hoffe das reicht jetzt, sonst würde ich dich einfach bitten noch mal

00:32:14: nachzufragen danke für diesen Überblick, es zeigt definitiv,

00:32:20: wie divers und ich bin mir sicher, das war noch nicht alles, - ganz sicher nicht - , was Dir jetzt schnell auf die Schnelle eingefallen ist und da gibt's sicher mehr, aber das ist definitiv erstmal genug.

00:32:32: Deine zweite Frage, die Frage, jetzt sage ich mal,

00:32:39: Leben teilen versus Profession und da bringe ich jetzt mal noch eine Begrifflichkeiten rein, nämlich auch professionelle Distanz, die da immer wieder ein Thema spielt,

00:32:50: das ist für mich schon auch ein Spannungsfeld. Das ist ein Spannungsfeld, weil

00:32:55: es ist mein Beruf, ja, und mein Beruf endet einfach auch

00:33:02: nach meiner Tätigkeit, nach acht Stunden, nach zehn Stunden, manchmal auch ein bisschen mehr vielleicht, genau und  da habe ich natürlich auch die Möglichkeit, mich tatsächlich im Rahmen meines Berufes auch rauszuziehen aus einem Setting,

00:33:16: ja also ich verlasse die Wohngruppe, ich verlasse diesen diesen Menschen, für den ich vielleicht gerade auch ein Stück weit

00:33:24: Assistenz bin und gleichzeitig weiß ich von mir selber wie schwierig das aber ist.

00:33:33: Ich ich kann

00:33:34: diesen Beruf nicht wie eine Akte auf meinem Tisch liegen lassen. Sondern es sind eben Menschen, die nehme ich mit, die nehme ich mit nach Hause, da merke ich auch, die Situation in der sie gerade sind, die die beschäftigt mich auch

00:33:50: und da ist es immer wieder auch eine Herausforderung, tatsächlich auch gut in die Distanz gehen zu können, um nicht quasi ganz assoziiert auch in Problemstellungen mit rein

00:34:05: zu kommen und dann nicht mehr professionell handeln zu können und gleichzeitig weiß ich aber auch, dass dieses

00:34:14: assoziierte Teilhaben eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass wir professionell handeln können. Die Kunst ist auch hier, wirklich schwingungsfähig zu bleiben und eben in einer,

00:34:25: in einem hohen Maß auch ein Reflexion zu spüren, was ist das denn gerade und deshalb ist es,

00:34:32: Phillip lass mich ganz kurz in Gedanken bitte zu Ende sprechen, wenn das geht, deshalb ist es für mich so zentral wichtig, dass wir als Heilpädagoginnen

00:34:39: oder als heilpädagogisch Tätige wirklich auch eingebunden sind in ein kollegiales Feld und dann nicht allein unterwegs sind, dass wir hier wirklich auch

00:34:47: gut ein Korrektiv haben von Kollegen und auch in der interdisziplinären,

00:34:55: ja, im Interdisziplinären Unterwegssein, weil gerade auch diese unterschiedlichen Blicke

00:35:03: uns helfen, unsere eigene Professionalität immer wieder für uns

00:35:09: glaube ich auch täglich neu ab zu klopfen, also auch das ist für mich, um Moos Begrifflichkeit zu bedienen, immer wieder auch ein Anruf wo es drum geht, meine eigene Antwort zu formulieren und die ist nicht jeden Tag gleich,

00:35:23:  und auch das ist für mich Professionalität.

00:35:27: Ich wollte dich damit gar nicht aus der Reihe bringen oder gar unterbrechen, das war lediglich ein Zeichen an Rihab, dass ich gerne mich einklinken würde mit einer Anschlussfrage,

00:35:38: und zwar hast du ja jetzt auf der einen Seite

00:35:43: dieses Spiel zwischen einer Nähe und einer Distanz als ein Spannungsfeld gekennzeichnet und du hast aber auch so etwas wie von Interdisziplinarität

00:35:55: redend eingeführt und ich würde jetzt gerne fragen, ob

00:35:59: du aus deiner Expertise heraus uns die Frage beantworten kannst, mit welchen Referenz-Disziplinen wir es zu tun haben in der Heilpädagogik oder welche anderen

00:36:12: Formen für dich da sehr zentral in einem gelingenden Assistieren, Unterstützen oder Fördern relevant sind.

00:36:22: Gerne ich würde bevor ich deine Frage beantworte gerne einen Schritt zurückgehen, weil ich finde,

00:36:28: dass die Heilpädagogik an sich in ihrem Denken eigentlich schon sehr interdisziplinär unterwegs ist.

00:36:36: Es gibt nicht die Heilpädagogik, und das was ich von euch vorhin auch gehört habe über über eure Ausrichtung dieses Podcast,

00:36:46: da ist es euch ja auch ein Anliegen, tatsächlich diese ganz

00:36:49: unterschiedlichen Facetten der Heilpädagogik wirklich auch zu beleuchten und das ist das was ich unglaublich spannend finde an unserer Disziplin Heilpädagogik die an sich eine Teildisziplin der allgemeinen Pädagogik ist, aber sich eben aus ganz unterschiedlichen anderen Disziplinen auch speist, und je nachdem

00:37:12: und das sage ich jetzt mal je nachdem auch nach eigener Fasson, haben wir natürlich unterschiedliche Referenz-Disziplinen, ich möchte einmal die Verbindung auch zu Medizin hernehmen, die eigentlich

00:37:27: die ganz sage ich mal die ganz klassiche

00:37:30: der Heilpädagogik war, also wenn wir in die Ursprünge der Heilpädagogik zurückgehen, bei Georgens und Deinhardt, da war die Heilpädagogik eigentlich eine Disziplin, die auch aus der Medizin und aus der Psychiatrie entwachsen ist,

00:37:44: nämlich aus dem Gedanken heraus es gibt Menschen da haben wir medizinisch alles getan und trotzdem haben sie noch einen Bedarf, den wir aber Medizin ist nicht mehr decken können,

00:37:56: und da war so die Idee, boa, wenn wir da nur in

00:37:59: einem pädagogischen, heilpädagogischen Engagement gut genug sind, dann findet sowas wie

00:38:09: "Heilung", ich setze es jetzt in Anführungszeiche, ich sag's auch noch mal für die Zuhörer, in Anführungszeichen, findet das tatsächlich auch statt

00:38:18: und das ist was, von dem hat sich die die Heilpädagogik als Disziplin entfernt, und auch da war Moor ganz maßgeblich daran beteiligt indem er gesagt hat, Heilpädagogik ist Pädagogik

00:38:30: und nichts anderes und vielleicht müssen wir uns oder wollen wir uns nachher auch noch mal in diesem diese Begrifflichkeit des Heils auch noch mal kurz

00:38:38: oder da den Blick drauf werfen, weil das finde ich schon sehr spannend, aber das ist so die Grundrichtung, in der sich die Heilpädagogik entwickelt hat und heute sehen wir einfach, dass wir ohne

00:38:50: Referenz-Disziplinen wie die Psychologie, die allgemeine Pädagogik, aber auch auch die die Soziologie oder alle  Kulturwissenschaften, die wir da haben, eigentlich gar nicht mehr auskommen

00:39:03: können, weil die Heilpädagogik

00:39:06: eben auch wieder in diesen beiden Blickrichtungen unterwegs ist, und da ist auf der einen Seite das Individuelle,

00:39:14: auch wenn es z.B. um Beeinträchtigungen und die Frage geht, wie kann man denn individuelle

00:39:20: Beeinträchtigungen auch abmildern, was gibt's auch hier für therapeutische oder für Förderansätze.

00:39:27: Und das ist eine andere Ausrichtung wie jetzt das, wenn wir uns wirklich die Frage stellen, wo müssen wir auch auf gesellschaftlicher Ebene

00:39:35: wirklich weiter arbeiten, das eben auch Teilhabe für alle marginalisierten Gruppen

00:39:41: möglich ist, und da würde ich das auch gerne wirklich auch erweitern über das Feld von Menschen mit sogenannten Beeinträchtigungen oder Behinderungen hinaus, weil auch da die Heilpädagogik sicherlich mehr und mehr auch ihren Auftrag hat.

00:39:56: Also in Ergänzung dazu vielleicht noch ganz kurz,

00:40:02: was aus meiner Perspektive noch sehr wichtig ist als eine oder als mehrere Grenzwissenschaften, ohne die wir letztendlich nicht das,

00:40:12: was du über Paul Moor heute hier einbringst, leisten können, wäre z.B. auch die Ethik, die Philosophie, das Recht, ganz ganz ganz wichtige Disziplinen die uns in Anführungsstrichen dabei helfen,

00:40:26: z.B. solche herausfordernden Dinge wie die Nähe und Distanz, Haltungsfragen, Beziehungsfragen, die Frage nach dem anderen dem Gegenüber,

00:40:37: zu erörtern und dann tatsächlich, das hat mir sehr sehr gut gefallen wie du das dargestellt hast, im Sinne der Professionalität,

00:40:45: in jeder Situation aufs Neue wieder zu eruieren ob das noch so ist, wie es beim letzten Mal war,

00:40:53: und das immer wieder neu zu erarbeiten, also das als ein Teil von Professionalität.

00:40:59: Ja und vielleicht können wir da auch deine Frage von vorhin noch mal anschließen, nämlich die Frage nach der Disziplin und der Profession.

00:41:09: Die Disziplin, also ich weiß jetzt nicht ob ich es wirklich umfassend jetzt so darstellen kann, aber die Disziplin in

00:41:18: diesem Verständnis ist ja hier wirklich auch eine, also für mich auch eine wissenschaftliche Ausrichtung, eine wissenschaftliche Klärung, die auch eine ganz klare wissenschaftliche Basis hat, und da kommen wir an ein ganz spannendes Thema, nämlich

00:41:33: der Verknüpfung und manchmal auch der Diskrepanz zwischen der Theorie auf der einen Seite,

00:41:38: Disziplin, und der Praxis auf der anderen Seite. Und Profession ist für mich letztlich auch dieser Integrationsprozess von

00:41:50: disziplinärem Wissen also, auch theoriegeleitetem Verständnis und der

00:41:57: praktischen Umsetzung der Handlungs-, also der Umsetzung auf einer auf einer individuellen Handlungsebene und das

00:42:05: Spannende der Heilpädagogik, wenn wir es jetzt mal unter disziplinären Gesichtspunkten anschauen, ist ja schon allein, dass das die Heilpädagogik

00:42:14: eine, also wenn wir sie als Profession verstehen, aber in disziplinären Zusammenhang stellen, dann haben wir da eine Ausbildungs-Ebene

00:42:22: auf der Ebene der staatlichen Anerkennung, wir haben eine Möglichkeit des Studiums als Handlungswissenschaft, also  an den FHs, also an den Fachhochschulen oder in den Hochschulen,

00:42:34: und wir haben aber auch die Möglichkeit, die Heilpädagogik an der Universität zu

00:42:39: studieren, und da sind schon nochmal unterschiedliche Schwerpunkte auch grundgelegt, und das ist das, was das Disziplinäre ausmacht und auch diese, ich nenne es jetzt einfach auch mal

00:42:50: disziplinäre Diversität, der ihr ja auch mit eurem Podcast ein Stück weit nachgeht, und das

00:42:57: Spannende für mich persönlich ist einfach das, was mache ich persönlich als heilpädagogisch Tätige

00:43:05: mit diesem Wissen, mit dieser Auseinandersetzung, mit dieser Grundlegung und auch mit einer, ich nenne es jetzt mal disziplinären Diskrepanz, die wir haben, also dem, dass da auch ganz unterschiedliche

00:43:19: Blickpunkte da sind, die sich im Zweifelsfall auch nicht auf einen Nenner bringen lassen, sondern die genau auch dieses Spannungsfeld

00:43:27: darlegen und dann möchte ich jetzt gerne Paul Moor wieder bedienen, der einfach auch sagt, ich komme nicht umhin, der einfach auch sagt, es gibt nichts Praktischeres

00:43:39: für den heilpädagogisch Tätigen als eine gute Theorie und das ist eben immer wieder die Frage: wie handele ich.

00:43:48: Wenn ich diese Theorie glaube, was heißt es denn für mich persönlich,

00:43:53: in dieser aktuellen Situation mit diesem individuellen Gegenüber in unserer Beziehung, also in ganz vielen feinen Nuancen,

00:44:05: wunderschön wunderschön,

00:44:08: ja ich würde sagen, ich leute jetzt tatsächlich die letzte inhaltliche Frage dieser Art ein, die knüpft aber wunderbar auch an das Zitat jetzt von Paul Moor an:

00:44:20: Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie, das muss ich mir merken,

00:44:26: und ich möchte auch eingehen auf den Begriff "Heil", das hast du ja kurz angeteasert und ich würde sagen, dass, die Zeit nehmen wir uns noch das

00:44:36: du das kurz aus deiner Sicht erläuterst, vielleicht eben als schöne Abschluss-Frage,

00:44:43: ich könnte jetzt fragen welche Menschenbilder prägen die Heilpädagogik, aber das glaube ich können wir noch mal eine Stunde sitzen, deswegen frage ich, welches Menschenbild prägt dich ganz besonders in deiner Tätigkeit

00:44:54: als Heilpädagogin und wie stellst du da den Zusammenhang zu diesem "Heil" in der Heilpädagogik her?

00:45:02: Also wenn man,

00:45:05: wenn wir in die reichhaltige Bibliothek der Heilpädagogik schauen, dann sind das sicherlich zwei Begriffe, die

00:45:13: sehr sehr sehr kontrovers diskutiert wurden und zwar über die gesamte Zeit der Heilpädagogik hinweg. Also die Frage nach dem "Heil" in

00:45:22: der Heilpädagogik und der Frage nach dem

00:45:25: also, ich sage wieder in Anführungszeichen, dem Menschenbild der Heilpädagogik, für das Menschenbild würde ich sagen, dass das

00:45:34: gibt es nicht und das kann es auch nicht geben.

00:45:39: Es gibt aber für mich und für mich ganz persönlich und ich glaube auch für die für die Profession einfach bestimmte bestimmte Grundlagen, die das heil-

00:45:49: pädagogische Menschenbild,

00:45:51: das es eigentlich gar nicht gibt, aber dieses Menschenbild ist unsere Arbeit trägt, die das wirklich kennzeichnen und da würde ich gerne auch Hermelin wirklich auch noch mal in den Blick führen, der mit seiner wertgeleiteten Heilpädagogik gesagt hat, okay, das sind die Werte die Gleichheit der Menschen und diese Unveräußerlich-

00:46:09: barkeit des menschlichen Lebens. Jedes Leben

00:46:13: trägt seine eigene Würde und die müssen wir unbedingt achten, das sind die Grundlagen der Heilpädagogik, aber das sind nicht nur die der Heilpädagogik, sondern das ist das dass wir uns einfach auch im Grundgesetz verankert ist, und das ist was, was wir uns vielleicht auch

00:46:28: für die Menschen mit denen wir zu tun haben immer wieder bewusst machen müssen, wir haben es mit einem Menschen und seiner ureigenen Würde zu tun und was

00:46:39: gar nicht geht, und das ist was, was wir einfach, jetzt sage ich mal aus dem Umfeld der Heilpädagogik, in der Geschichte einfach,

00:46:46: kennenlernen mussten, das sind diese Diskussionen zum lebensunwerten Leben.

00:46:51: Und die wurden auch innerhalb der Heilpädagogik geführt, also ich möchte einfach auf Singer verweisen oder ähnliche, die wirklich diese Frage gestellt haben und das ist für mich ein Thema, also das muss

00:47:03: jedes individuelle Bild

00:47:05: dass wir haben von Menschen, auf diesen auf diesem auf diesen Grundlagen muss es fußen, jeder Mensch,

00:47:14: hat eine eine bedingungslose Würde und hat bedingungslos Achtung des anderen verdient und er hat aber auch

00:47:24: Bedingungslos,

00:47:26: Achtung verdient im Sinne dessen, dass er selbstbestimmt über sein Leben und das kann jeder, auch ein Mensch mit komplexer Behinderung ist in der Lage, selbst

00:47:37: zu bestimmen. Die Frage ist, gibt es ein Umfeld, das

00:47:42: das wahrnimmt, dass diese Ausdrucksweisen der Selbstbestimmung wahrnimmt, und damit ist für mich auch dieser Begriff des "Heils" in der Pädagogik eigentlich ein Auftrag.

00:47:55: Ein Auftrag, nähmlich dieses "Heil" im Sinne eines ganzheitlichen Verständnis, und dass du schon der nächste Begriff, der in der Heilpädagogik unglaublich kontrovers diskutiert wird, weil auch hier letztlich, es ist immer ein Bemühen um.

00:48:10: Es ist ein Bemühen um

00:48:13: den anderen in seiner Ganzheit, wohlwissend, dass ich die nie umfassen werde, aber es ist ein Bemühen um dem Ganzen,

00:48:22: in seiner Ganzheit hier einfach auch mich zu Verfügung zu stellen.

00:48:28: Und in diesem, was zwischen uns entsteht, dieser dieser Raum zwischen uns, in dem passiert das, was wir vielleicht auch,

00:48:38: und jetzt setze ich ganz hoch an, heilende Beziehung meint, nämlich Beziehung im Sinne von da gibt es jemand der sich ernsthaft um mich bemüht.

00:48:47: Dem es wichtig ist, mich in all meinen Facetten,

00:48:50: wirklich ich auch wahrzunehmen, wohlwissend dass er das nicht schafft, das ist ja das, was wir auch in ganz normalen Partnerschaften, das ist dieser Wunsch dieses idealen Lebenspartners.

00:49:00: Und wir alles glaube ich sind irgendwann ist zum Leben auf diesen Moment gekommen wo wir gemerkt haben, das wird so nicht zu funktionieren.

00:49:11: Also eher im

00:49:12: weiß nicht ob es euch auch so geht, aber ich merke manchmal, ich umfasse mich ja selber nicht in meiner Ganzheit und es gibt immer wieder Facetten, die mich überraschen an mir selber wo ich denk, echt, dass auch noch? Das kenne ich gar nicht an mir. Und das haben wir im Zusammenspiel auch und deshalb ist auch dieser Begriff des Heiles im Sinne eines

00:49:32: eines Ganzheitlichen ein Auftrag, dem wir nie

00:49:36: gerecht werden können, aber der für uns einfach auch so eine so ein Wegzeiger sein kann ich möchte mich dem Ganzen

00:49:45: und dem Ganzen des anderen wirklich auch wieder zur Verfügung stellen da sind wir wieder bei diesem Begriff,

00:49:50: in aller Professionalität und mit allen Abgrenzungen die es einfach auch braucht, dass ich auch ganz bei mir bleiben kann.

00:49:57: Wohlwissend, dass wir es nie erreichen werden, aber es ist

00:50:03: der Aufruf, der vielleicht an uns ergeht, aus dem anderen und das sind wir auch wieder, ja,

00:50:10: bei bei einem Ansatz, den wir gerade in der Heilpädagogik und den die auch Kollegen ja wirklich auch sehr sehr stark auch gerade herausarbeiten, wirklich auch diese diese Anfrage die vom anderen ausgeht.

00:50:24: Also indem dass der Mensch mich anfrägt.

00:50:28: Also nicht nur das Leben so wie es Moor dargestellt hat, sondern eben auch der andere, und es liegt an mir zu antworten und da einfach in einen

00:50:36: reziproken Prozess der Beziehung einzutreten. Ja sehr spannend vielen Dank, ich würde gerne noch einen Aspekt,

00:50:43: noch mehr herausstellen und einen anderen kurz noch einrahmen, also einmal zu der Debatte um Singer, ich glaube dass auch, wenn wir das jetzt nicht weiter behandeln können, aber dass das etwas ist, was uns

00:50:56: und ich bin inhaltlich praktisch auf der entgegengesetzten Position, die Singer vertritt, aber ich glaube, dass diese Debatte

00:51:06: auch hilfreich, in einer hilfreichen Art und Weise für die Heilpädagogik genutzt werden kann, also dass wir nicht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sagen um Gottes Willen, wie kann er denn sowas denken, sondern dass wir das auch für uns nutzen können,

00:51:21: um stärker in unserer Argumentation zu werden.

00:51:24: Und das andere ist, jetzt hast du ja gerade gesagt, Sandra, das ist irgendwie schwierig ist so etwas wie ein Menschenbild, und natürlich gibt's nicht dieses eine, aber ich finde du hast schon,

00:51:32: wenn wir es jetzt mal an bestimmten Begrifflichkeiten die du benutzt hast, fest machen würden,

00:51:38: das, also Selbstbestimmung offensichtlich sehr zentral ist wenn wir auf die Menschen gucken, und der Würdebegriff, also die Anerkennung des anderen, und das ist ja das was du gerade auch zum Ende noch mal angesprochen hast mit diesen

00:51:50: vermeintlich oder hoffentlich immer reziproken Verhältnis was wir annehmen, wenn wir auch an diese Menschen

00:51:58: denken, über die vorhin schon gesprochen haben, die wir als vermeintlich schwerstmehrfach oder komplex behinderte Menschen bezeichnen, dass es also tatsächlich immer darum geht,

00:52:08: ja, in einer anerkennenden,

00:52:14: würdevollen Art und Weise miteinander in den Austausch zu gehen und Selbstbestimmung auch z.B. in einer differenzierten Art und Weise zu verstehen.

00:52:24: Also Selbstbestimmung wird ja häufig gleichgesetzt mit so etwas wie einer Handlungsautonomie und das ist natürlich total verkürzt, denn wir können, und da helfen uns

00:52:33: aus meiner Sicht auch viel diese Referenz-Disziplinen die wir thematisiert haben, wir können ja aus der heilpädagogischen Perspektive nach meiner Lesart sehr gut zwischen so etwas wie einer Entscheidungs-

00:52:45: und eine Handlungsautonomie differenzieren und ne Entscheidungs-Autonomie kann sehr wohl dazu beitragen, auch wenn ich die Handlung nicht selber ausführen kann, dass ich selbstbestimmt mein Leben führe.

00:52:56: Also ganz viele tolle Aspekte die du noch mal herausgestellt hast, die das Bild der Menschen formen, mit denen wir arbeiten

00:53:05: und leben. Das möchte ich möchte unbedingt unterstreichen, was du gerade auch noch mal erwähnt hast, und noch einen Aspekt, um das abzurunden vielleicht auch noch dazu fügen, dass wir da auch,

00:53:18: jetzt, von der Profession gesprochen, auch sehr sehr milde mit uns sind und uns wirklich auch Grenzen einfach auch

00:53:28: anerkennen und achten und aber auch nicht davon aufhalten lassen, aber auch hier wirklich immer wieder in der Situation zu sehen, dass

00:53:37: auch wir begrenzt sind in unseren Möglichkeiten, dass die Situationen begrenzt sind und das einfach auch

00:53:44: zu achten und auch anzunehmen und zu schauen okay, was mache ich denn jetzt damit, um uns auch im Sinne der Professionalität wirklich auch vor einem Ausbrennen wirklich auch zu schützen, um nicht in den Kampfmodus zu verfallen und hier,

00:54:00: ja wirklich auch auch letztendlich uns selber und auch unser Gegenüber zu überfordern indem, dass es

00:54:08: irgendwo fundamentalistische Züge annimmt, also das ist was mir gerade auch im Zusammenhang mit der Inklusionsdebatte, also wo ich immer wieder merke oh, das macht mir Bauchgrummeln, wenn ich merke, dass da Menschen oder Systeme sich wirklich auch in eine persönliche Überforderung

00:54:24: bringen, also da auch sehr achtsam mit uns selbst zu sein.

00:54:30: Sandra für mich ist es ein Genuss dir zuzuhören, also ich könnte mit euch beiden glaube ich noch weitere 2 Stunden debattieren, diskutieren und mich austauschen.

00:54:41: Wir kommen jetzt zum Abschluss-Part, dir wird wieder eine Aufgabe gestellt,

00:54:51: du bekommst 5 Entscheidungsfragen von uns, wo du dich für A oder B entscheiden darfst, ohne große Erläuterung leider

00:55:01: genau die Zeit Erläuterung ist gerade vorbei genau aber du hast einen Joker das heißt Du darfst einmal dich dieser A-oder-B-Entscheidung entziehen.

00:55:12: Okay! Was braucht die Heilpädagogik mehr: Forschung oder politische Arbeit?

00:55:22: Ohoooo ...

00:55:25: Joker! Super, sehr gut, das hast du richtig gut gemacht, jetzt ist der Joker weg.

00:55:35: Es braucht beides.

00:55:37: Und zwar jedes zu seiner Zeit und an jedem Ort, aber ich darf nichts dazu sagen, Tschuldigung. Die nächste A-oder-B-Frage lautet: Förderung oder Therapie?

00:55:50: Förderung.

00:55:54: Tee oder Kaffee? Kaffee. Auto oder Fahrrad? Fahrrad.

00:56:05: Zum Abschluss noch mal bisschen schwieriger: Parteinahme oder Selbstbestimmung?

00:56:13: Joker...

00:56:20: Selbstbestimmung, und zwar dann, wenn es jemanden gibt, der auch Partei für mich ergreift.

00:56:25: Aber grundsätzlich Selbstbestimmung. Ich möchte gerne noch einen letzten hinzufügen Rihab,

00:56:34: Menschen mit Behinderung oder behinderte Menschen? Menschen mit Behinderung.

00:56:40: Ja jetzt sind wir schon fast am Ende unserer gemeinsamen Zeit angelangt, mit der Bitte um,

00:56:49: wenn du das noch in Anspruch nehmen möchtest, Sandra, z.B. auf eine der A-oder-B-Fragen noch mal bisschen mehr einzugehen, aber mit der Bitte um eine relativ kurze Antwort, gibt es noch einen Aspekt der dir

00:57:01: im Gespräch oder jetzt über die A-und-B-Fragen zu kurz gekommen ist, der noch ein bisschen Erläuterung braucht oder thematisiert werden soll aus deiner Sicht?

00:57:11: Ich

00:57:11: würde vielleicht tatsächlich meinen ersten Joker ganz kurz nochmal erläutern, weil ich glaube, die Frage, Forschung oder und ich würd sogar noch aufmachen das Feld Forschung,

00:57:25: politisches Engagement und tatsächlich auch konkrete Handlungsimpulse, also auch das Erlernen von,

00:57:34: von Methoden, ich glaube wir dürfen das in der Heilpädagogik tatsächlich auch unter dem Dach der Profession vereinen, weil wir es müssen, weil die Fragestellungen

00:57:45: der Menschen mit den wir arbeiten zu vielfältig sind, dass wir das nicht mit einem der Bereiche beantworten könnten, sondern es braucht das, und da finde ich das in dieser Disziplin, und zwar in dieser wissenschaftlichen Disziplin, aber auch in dieser Handlungs-

00:58:00: Orientierung der Heilpädagogik einfach so bereichernd, dass wir diese unterschiedlichen Ansätze haben, die sich

00:58:07: gegenseitig befruchten aber auch gegenseitig begrenzen und begrenzen müssen.

00:58:13: Und die Kunst ist für mich wirklich auch, und da sind wir wieder bei Paul Moor,

00:58:19: es gibt nichts praktischeres als eine gute Theorie, die Frage ist eben immer wieder, was mache ich als Praktiker auch

00:58:26: mit der Forschung und wie wird die Forschung auch so transportiert, dass sie für den Praktiker relevant wird, weil da sehe ich immer noch einen

00:58:35: einen großen Bedarf, diese Brücke wirklich gut zuschlagen, und da nehme ich mich nicht aus, indem wir aus Forschungs- Sicht

00:58:44: Bücher schreiben, die für den Praktiker mitunter sehr schwer zu lesen sind, da wie gesagt, ich nehme mein eigenes nicht aus.

00:58:51: Und ich glaub, das ist auch in Auftrag für uns wirklich auch aus der Forschung heraus so zu sprechen, dass der Praktiker was damit anfangen kann, und dass es für ihn eine Bereicherung wird. Und so verstehe ich auch meinen Auftrag oder einen meiner Aufträge

00:59:05: innerhalb der Heilpädagogik. Dankeschön. Bevor wir gleich am Ende sind,

00:59:11: hast du noch einen Empfehlung für unsere Zuhörenden? Möchtest du ein Buch, eine Musik, was auch immer unseren Zuhörenden ans Herz legen?

00:59:20: Aber natürlich, ich empfehle natürlich, sich mit Paul Moor einfach mal wieder zu beschäftigen und einfach wenn Lust und Zeit da ist, sich ein bisschen auch auf seine Art,

00:59:31: und sein Denken einzulassen und zwar unter dem Aspekt, dass er uns selber

00:59:37: als Menschen anfrägt und da lade ich einfach jeden heilpädagogischen Tätigen immer wieder ein, sich anfragen zu lassen aus der Literatur heraus, natürlich kann man das auch mit meinem Buch machen oder eben auch mit der Originalliteratur oder mit allen anderen Ansätzen,

00:59:55: die uns anfragen und die uns herausfordern, selber Stellung zu beziehen das finde ich einfach was ganz Wunderbares

01:00:03: für unsere Professionalität und für uns aber auch einfach in unserem persönlichen Wachstum.

01:00:10: Liebe Sandra Palfi-Springer, ich, wir bedanken uns ganz ganz herzlich für diese sehr bewegenden inspirierenden Gedanken und Worte von dir, leider ist unsere Zeit vorbei.

01:00:22: Ein herzliches Dankeschön an dich und wenn ihr, liebe Zuhörende, Anregungen, Kritik oder Fragen an uns habt,

01:00:30: dann schickt diese doch gerne per E-Mail an uns, und zwar an Podcast@bhponline.de, bhponline durchgeschrieben ohne Bindestrich.

01:00:42: Und wir freuen uns auf das nächste Mal. Bis bald! Vielen Dank und alles Gute euch.

01:00:48: Music.